Am vergangenen Donnerstag und Freitag führte die Theater-AG2 ihre Eigenproduktion „DimaMa – Diktatorinnen mit absoluter Macht“ im Gugg-e-mol Kellertheater auf.
Die Entfaltung von sechs sehr unterschiedlichen Charakteren, den DimaMas, die alle für eine andere Ideologie stehen und jede für sich um die Alleinherrschaft ihrer selbst und der Idee kämpfen, braucht seine Zeit. Vor allem, weil sie ganz unterschiedliche Motivationen haben, die Gesellschaft auf die Schnelle durch ihre Willkür zu verbessern.
Die toxische Männlichkeit brechen, einen christlichen Staat gründen, das Schulsystem revolutionieren, den Frieden für alle bringen oder endlich die Digitalisierung vollenden. Jede hat ihre „guten“ Gründe, aber eigentlich geht es vor allem um Macht. Unterstützt werden sie dabei von ihrer treuen Gefolgschaft, den Minions, die alles bedingungslos unterstützen, was die DimaMas tun oder planen. Sie sind die geborenen Mitläufer, die man mit Zuckerbrot und Peitsche bei der Stange hält.
Eine Riege von Seminarleiter*innen unterzieht die Kandidatinnen einer Tour de Force durch die Künste der Macht durch Gewalt. Sie leisten ganze Arbeit und zeigen vereinzelt ihre eigenen Traumata und Motivationen, die sie in die Diktatur treiben.
Die potenziellen Diktatorinnen müssen als Frauen vor allem ihre Weichheit, ihre Empathie, ihre Menschlichkeit ablegen, um den großen Männern nachzueifern. Die zentrale Frage, die sich das Stück stellt, ist, können Frauen ein toxisches, diktatorisches, männliches Mindset entwickeln?
Die jungen Frauen sollen wie gnadenlose Männer denken und handeln. Die Ideologie über das Individuum stellen. Jede der Auszubildenden hat ihre eigene Wahrheit, die sie mit Hilfe ihrer Gefolgschaft verbreitet. Propaganda im Dienst der Machtergreifung funktioniert, aber was tun, wenn die verschiedenen Wahrheiten aufeinandertreffen? Dann schreit jeder: „Die Wahrheit ist mein. Mein ist die Wahrheit!“ Und daraus entsteht ein kakophonischer Kanon der Rechthaberei.
Dadurch zeigt das Stück die Problematik der Informationsflut, des Verlusts an gesicherten Wahrheiten und der alternativen Fakten auf.
Mit einer Vielzahl an Zitaten und Bildern, gespickt mit Querverweisen auf die Geschichte und die aktuelle weltpolitische Situation, ist das Stück dicht, komplex und mitunter überfordernd. Und genau das soll es sein. Mit der Aussage „In your face“ fasste ein Zuschauer bei der Schultheaterwoche in Karlsruhe die Essenz der Zielsetzung treffend zusammen.
Zitate wie „Ich bereite mich durch Selbstgespräche vor, weil ich ein sehr gutes Gehirn habe“ lösten gleichzeitig Schmunzeln und Erschrecken aus. Die Diktatur war schon immer und ist auch in diesem Stück Opfer des Humors. Doch mitunter ist die Realität die härtere Satire. Tucholsky sagte, die Satire dürfe alles und dieses Credo liegt offensichtlich auch dem Drama zugrunde.
Diktatur zerstört die Freiheit, den Schutz vor Willkür. Dabei geht es doch darum, zu
schützen, zu schonen, zu lieben. Darum ist die Diktatur nicht die Lösung, sie ist das Problem, so das Fazit des Ensembles.
Das Thema des Stücks verlangte nicht nur den Spielenden, sondern auch dem Publikum einiges ab. Der episodische Charakter, angelehnt an die Situation in der Schule mit dem schnellen Wechsel zwischen den Schulfächern, machte es nicht leicht, dem Tempo standzuhalten. Da konnte man schon mal außer Atem geraten, wie die Opfer der Französischen Revolution. Dass unter der Willkür Menschen leiden, gefoltert und getötet werden, wird da mitunter als Kollateralschaden oder Notwehr verzeichnet.
Diese Härte der Realität findet ihren Weg ins Theater. Dabei wird jedoch immer deutlich, dass das Ensemble die Gewalt nicht verherrlicht, sondern im Gegenteil verurteilt.
Totalitarismus und Freiheit widersprechen sich. Deshalb steht am Ende die klare Aussage: „Nie wieder ist jetzt!“ Überaschenderweise sind es vor allem die Minions, die sich am Schluss weigern. Sie gehen in den Widerstand und begehren auf. Sie sind die Mutigen, die unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Freiheit, für die Demokratie kämpfen.
Dass der Verfassungsschutz in Person der vorgeblichen Intrigantin zugreift, ist im Stück beruhigend, aber es kommt auf den Einzelnen an, die Freiheit in der Demokratie zu bewahren. Sebastian Krumbiegels Hit „Die Demokratie ist weiblich“ ist natürlich nicht ausschließlich gemeint. Wichtig ist, dass die jungen Menschen mit ihrer Theateraufführung Haltung zeigen. (soe)