Kreuzfahrer*innen – Die Theater-AG im Gugg-e-mol

16.07.2023

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Am 14. und 15. Juli präsentierte die Theater-AG des Melanchthon-Gymnasiums Bretten in zwei ausverkauften Veranstaltungen im Gugg-e-mol Kellertheater ihre Eigenproduktion „Die Kreuzfahrer*innen“. Im ersten Teil, der Exposition, stellten sich die Figuren unter dem Motto „Woher kommen wir?“ vor. Ein Paar (Sara Schäfer, Lea Roth) streitet darüber, wo die Tickets sind. Ein anderes (Christine Bauer, Ceyda Dönmez) steckt im Stau fest. Zwei Studentinnen (Linnea Schmoeckel, Nicole Edenheiser) machen sich auf den Weg, eine krasse Story über Kreuzfahrtschiffe zu liefern. Da sind der besserwisserische Professor (Matthias Gerber) und eine lyrisch veranlagte Malerin (Luna Huber). Eine für alles verantwortliche Purserette (Rosalie Wehrheim) trifft auf die im Niedriglohnsektor arbeitende Servicekraft (Josephine Schmoeckel).

Hier zeigten sich bereits Ansätze für mögliche Konflikte während der steigenden Handlung im zweiten Teil. Der Aufenthalt auf einem Kreuzfahrtschiff erwies sich als ambivalent. Auf der einen Seite war da diese Sehnsucht nach Erholung, der weiten Welt, neuen Eindrücken und Erfüllung. Und auf der anderen Seite die Verantwortung für die Zukunft, für unser Überleben, für die Artenvielfalt.

Die Kreuzfahrer waren im Mittelalter beseelt von dem Gedanken, dass ihre Mission heilig ist. Mitunter scheinen die verschiedenen Lager eben dies aktuell auch für sich beanspruchen zu wollen. 

Es ging aber in der Eigenproduktion nicht um eine Verteufelung des Fernwehs und der Reiselust. Und es ging auch nicht um eine Verurteilung der Klimaaktivist*innen. Das Ensemble zeigte das Spannungsfeld, in dem wir uns alle befinden und machte auf einige Aspekte aufmerksam, die die junge Generation persönlich beschäftigen. Da ist die Doppelmoral derjenigen, die das eine predigen und das andere tun, der Alltagsrassismus gegenüber Klimaflüchtlingen, die Hoffnung auf eine schöne und erholsame Zeit, die Diskrepanz zwischen Werbung und Realität.

Und natürlich sind da auch die ganz persönlichen Begegnungen von zufällig zusammengeworfenen Individuen auf begrenztem Raum und die daraus entstehenden Konflikte und bereichernden Kontakte. Da ging es schon mal hektisch her und eine aggressive Grundstimmung in dieser Ausnahmesituation war durchaus spürbar. So viel also zur Peripetie, dem Höhepunkt. 

Are we all in the same boat? Offensichtlich befinden wir uns – wenn man dem jungen Ensemble Glauben schenken will – nicht alle in einem Boot, denn jede/r ist sich selbst der/die Nächste. Wenn das Schiff sinkt, es um das nackte Überleben geht, scheint der Mensch vor nichts mehr zurückzuschrecken. Das ist eine fürchterliche Erkenntnis, aber dennoch gibt es Hoffnung. In der Inszenierung blieben am Schluss die Kunst und die Liebe als Hoffnungsschimmer für eine Menschheit, die viele Arten und möglicherweise sich selbst dem Aussterben ausliefert. 

Die Inszenierung legte den Finger in so manche Wunde: Menschenverachtung, Ignoranz, Nach-mir-die-Sintflut-Einstellung, Verschwörungstheorien, Beziehungsprobleme. Und dennoch verloren sich die jungen Akteurinnen und Akteure nicht in diesem engen Geflecht der Konflikte. Es gelang ihnen durch den Wechsel von lauten, lustigen, manchmal auch erschreckenden Passagen und ruhigen, traurigen, manchmal sogar zärtlichen Szenen, die Zuschauer nicht zu überfordern und sowohl das Gemüt zu berühren als auch den Verstand zu aktivieren. Die Figuren waren in ihrer überspitzten Darstellung ein satirisches Spiegelbild unserer Gesellschaft, ein Kaleidoskop der aktuellen Diskussion. Und dennoch verrieten die Spielerinnen ihre Figuren nie. Jede hatte ihre positiven und sympathischen Seiten. Das war das Ergebnis einer ernsthaften  Auseinandersetzung mit dem Sujet und intensiver Proben. 

Besonders erwähnenswert ist, dass das Ensemble in diesem Schuljahr neben der aktuellen Produktion noch Shakespeares „Romeo und Julia“ bei der Schultheaterwoche in Karlsruhe zur Aufführung brachte. Dieses außergewöhnliche Engagement schweißte die Gruppe zusammen, sodass an diesen beiden Abenden eine eingeschworene Spielgemeinschaft voller Lust und Laune ihren Erfolg beim Publikum feiern durfte.